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Das Weihegedicht
 

Zum Ende des Jahres 2006 ist in der Werkstatt des Dresdner
Orgelbaumeisters Kristian Wegscheider eine sensationelle Entdeckung in
Hinblick auf die Crostauer Orgel gemacht worden.
Zur Restaurierung der großen zweimanualigen Silbermann-Orgel der
Freiberger St. Petrikirche, erbaut 1732 bis 1735, waren Teile der Orgel
nach Dresden gebracht worden, darunter auch beide Pedalwindladen. Zu
deren Bestand gehören konstruktiv bedingte Hohlräume, sogenannte
„Blindkanzellen“. Das Öffnen der seit 1735 unberührt gebliebenen
Kanzellen hatte einen unerwarteten Fund zur Folge2:
In einer Kanzelle lag eine Urkunde mit einem Bericht vom Stadtbrand
in Freiberg am 1. Mai 1728, bei dem 15 Häuser und die Kirche vernichtet
wurden. Auch über ein Ereignis von hohem Rang wird berichtet, nämlich
von einer Einladung und dem Besuch des „Landes Vaters Friderici
Augusti II. den 9. Juny 1733. allhier bey vieler Ministrorum und anderer
vornehmen Standes.Personen Gegenwart.“ Diese Personen „vornehmen
Standes“ waren geladen, dem Guss der großen Platten für das Register
Principal 16´ der Freiberger Petri-Orgel zuzuschauen.
In der anderen Pedallade aber kamen gedruckte Orgelweihegedichte,
sogenannte Carmina, zum Vorschein. Einige dieser Drucke waren schon
bekannt, nämlich die zu den Orgeln in Glauchau, Reichenbach,
Sophienkirche Dresden, Reinhardtsgrimma und Mylau, jedoch nicht ein
Weihegedicht zur Erbauung der Orgel in Crostau.
Zur Entstehungszeit und auch zur Finanzierung der Crostauer Orgel
konnten bislang von Organologen nur mit Fragezeichen versehene
Angaben gemacht werden. Das bisher unbekannte und nun wieder
aufgefundene Gedicht zur Orgelweihe beweist zweifelsfrei, dass Christian
Heinrich, Graff von Watzdorff, auch der Stifter der Orgel gewesen ist und
dass er „| Sein durch Tit: | Herrn Gottfried Silbermann, | Königl.
Pohln. ... | Orgelbauer in Freyberg, allhier zu Crostau, neu-erbautes |
Orgel-Werck, | Den 5. Novemb 1732 als nach dem 21. Sonntage nach
Trinitatis, | solenniter einweyhen ließ, ... |“ Der zuerst vorgesehene
2 K. Wegscheider: „Einen vergleichbaren außerordentlichen Fund macht ein Orgelbauer mit viel
Glück einmal in seinem Leben!“
17
Weihetermin ist um drei Tage verschoben worden und wurde
handschriftlich geändert, denn gedruckt stand ursprünglich „| Den 2.
Novemb 1732 als am 21. Sonntage nach Trinitatis, ...“ Es folgt nun auf
drei Blättern ein an Watzdorff gerichtetes Gedicht von 56 Zeilen, das –
anders als sonst üblich – ein Loblied auf den Stifter, nicht aber den Erbauer
der Orgel darstellt. Silbermann wird gerade mal in vier Zeilen erwähnt,
zwei davon sind in Klammern gesetzt.

ERhabner GOtt, dem Erd und Himmel dienen,
Den durch Music das Chor der Engel ehrt;
Du, dessen Ruhm der Ruff der Seraphinen,
In Ewigkeit gantz ungemein vermehrt;
HErr Zebaoth, Fürst über alle Thronen,
Du Menschen-Freund, du wahrer Freuden-
Geist,
Du hast ja Lust, selbst unter uns zu wohnen,
Und liebst dein Volck, wann dich es herrlich preißt.
Senck einen Blick herunter zu der Erde,
Herab auff die, so hier dein Lob erhöhn,
Sieh! wie der HErr zum Troste Deiner Heerde,
Und dir zum Preiß läßt unsre Orgel gehn.
Dein, Watzdorff, HErr, ja Christian Heinrichs
Liebe,
Setzt so ein Werck in deinen Tempel ein,
                                                                                                                                                                                                                 [Seite 2]
Ein Orgel-Werck, das so wie seine Triebe,
Vortrefflich schön, vollkommen, edel, rein.
Ja Watzdorff ists, der deinen Tempel zieret,
Der deinen Ruhm und Nahmen herrlich macht,
Da man bey uns dein Wort recht lauter spühret,
Da mehrt dein Graff, auch deines Dienstes Pracht.
Wie schön ist nicht der GOttes-Dienst bestellet,
Wo Zions Mund des Höchsten Huld besingt,
Und wo zugleich, wie dieses hier erhellet,
Ein Orgel-Werck mit bey den Stimmen klingt.
Zwar haben wir uns auch zu dir geschwungen,
Man schlug vor dem, wohl auch ein Orgel-Werck,
Wenn man allhier zu deinen Preiß gesungen,
Doch dieses war von allzuschwacher Stärck;
Allein der Herr, Herr, den du uns gegeben -
Verbessert es, durch ein erlesnes Stück,
Kein Wunder ists, daß wir in Freude schweben
Erhebe du davor Sein Hohes Glück.
Er übergiebt den Bau den grösten Meister,
Den Sachsens Raum zu unsern Zeiten nennt,
(Es brauchet hier nicht falscher Schmincke-Kleister;
Denn Silbermann wird aus dem Werck erkennt:)
Es läßt der Graff in keinem Stücke fehlen,
Was deinen Ruhm, O GOTT ! vermehren kan.
Drum schreibe du, so viel wir Pfeiffen zehlen,
An Jahren Ihm, zu Seinen Leben an.
                                                                                                                                                                                                                 [Seite 3]
Und da wir uns bey diesem Wercke freuen,
Da man es dir zum erstenmahle schlägt,
Da man sich schickt, HERR, dir es einzuweyhen,
Da unser Hertz sich voller Freude regt;
So höre Du von deinem hohen Throne
Was unser Mund zu deinem Ruhme singt,
Wir ehren dich durch dieser Orgel Thone,
So offt ihr Schall in deinen Tempel klingt.
Erhalte du uns deines Wortes Kertzen,
Laß unsern Dienst dir wohlgefällig seyn,
Erfreue du, HErr! deiner Christen Hertzen,
Und höre uns, so oft wir zu dir schreyn.
Laß Dir O GOtt, dis Orgel-Werck gefallen,
Laß auch zugleich des Stiffters Ruhm bestehn!
So soll bey uns, HERR, stets dein Ruhm erschallen,
Bis daß du sprichst: Die Erde soll vergehn.